Opfer brauchen Unterstützung. Diese kann beispielsweise geleistet werden durch ihr familiäres (Eltern, Geschwister) oder schulisches Umfeld (Lehrer, Mitschüler, Freunde), aber auch von allen weiteren Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben (Ärzte, Sozialarbeiter, Ehrenamtler, Betreuer, …). Damit diese Hilfe in Anspruch genommen wird, sollte eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen werden. Kinder und Jugendliche müssen mit ihren Problemen ernst genommen werden und mit Erwachsenen über diese reden können, ohne dass Sie selbst dabei Konsequenzen zu fürchten haben. Eine restriktive Medienerziehung und ein (vermeintlicher) Schutz der Opfer durch Nutzungsverbote sind kontraproduktive Vorgehensweisen, die dazu führen, dass viele Opfer von Cybermobbing aus Angst vor einem Internet- bzw. Handyverbot ihre negativen Erfahrungen vor Erwachsenen verschweigen 21) 25).
Einerseits wird das Wahrnehmen von Cybermobbing, und somit auch die Unterstützung der Opfer, unmöglich. Andererseits kann Medienkompetenz nur dadurch erworben werden, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig mit Handy und Internet umgehen lernen. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie diese Medien genutzt werden! Essentiell für die Kinder und Jugendlichen ist es also, dass ihnen schon früh in der Mediensozialisation Strategien an die Hand gegeben werden, um Cybermobbing im Netz angemessen zu begegnen.
Was kann man tun, bevor es zu Cybermobbing kommt?
Vorsorge (proaktive Präventionsarbeit) ist in diesem Fall besser als Nachsorge. Wenn es erst einmal zu Cybermobbing gekommen ist, gibt es keine einfache oder ideale Lösung mehr! Bei der Prävention von Cybermobbing sind Eltern und Schulen gleichermaßen gefragt.
Sobald Kinder und Jugendliche anfangen, das Internet zu nutzen, sollten Eltern sich ebenfalls mit dem Internet beschäftigen um Gefahrenpotentiale realistisch einschätzen zu können, ihre Kinder bei der Internutzung zu begleiten und ihnen einen verantwortlichen Umgang mit anderen im Netz beizubringen 21). Dazu gehört beispielsweise die Einführung von Verhaltensregeln der Mediennutzung (Netiquette) aber auch Absprachen darüber, welche Seiten genutzt werden können und welche persönlichen Informationen preisgegeben werden dürfen. Dazu finden Eltern beispielsweise gute Informationen auf den Internetseiten von Klicksafe.
Auch ist es sinnvoll die Namen, Nicknamen und E-Mail-Adressen der Kinder regelmäßig im Netz zu suchen, um Einträge über sie und von ihnen zu finden 25). Wenn Eltern vermuten, dass ihr Kind ein Cyber-Opfer oder ein Cyber-Täter ist, sollten sie das Gespräch suchen und verdeutlichen, dass sie an einer gemeinsamen konstruktiven Lösung interessiert sind und nicht auf Internet- oder Handyverbote zurückgreifen werden.
In ähnlicher Weise sollten Schulen mit der Schülerschaft zusammen klare Verhaltensregeln der Mediennutzung (Netiquette) entwickeln und diese per Selbstverpflichtung einführen 2). Dazu finden Lehrer beispielsweise gute Informationen und Unterrichtsmaterialien auf den Internetseiten von Klicksafe. Darüber hinaus können Vertrauenspersonen als Ansprechpartner für alle Internetprobleme benannt werden, am besten Erwachsene, beispielsweise eigens geschulte Vertrauenslehrer oder Schulsozialpädagogen. Aber auch Gleichaltrige können bei entsprechender Schulung solche Positionen gut wahrnehmen, da sie bei ähnlicher Mediennutzung und auf Augenhöhe mit den Betroffenen die Probleme nachvollziehen können.
Die beste Präventionsmöglichkeit bietet die frühzeitige und wiederholte Durchführung von Unterrichtseinheiten und Präventionstrainings gegen Cybermobbing 2). Bisher gibt es verschiedenste Überlegungen darüber, wie solche Präventionsmaßnahmen aussehen sollten.
Ein gutes Beispiel ist das Präventionsprogramm gegen Cybermobbing "Surf-Fair" 13). Es zeichnet sich besonders durch ein konsistentes didaktisches Konzept aus, richtet sich ausschließlich gegen Cybermobbing und stellt vor allem die Stärkung von Medienkompetenz in den Vordergrund. Die Wirksamkeit von Surf-Fair wurde durch wissenschaftliche Evaluationsstudien systematisch überprüft und das Programm wird anhand der Ergebnisse kontinuierlich verbessert.
Was kann man als Reaktion auf Cybermobbing tun?
Sollte es doch zu einem konkreten Vorfall von Cybermobbing kommen, ist zu bedenken, dass grundsätzlich jedes Cybermobbing anders ist. Es gibt keine einfache oder ideale Lösung! Daher sollten die folgend vorgeschlagenen Maßnahmen der jeweiligen Situation angepasst und deren Wirkungen auf die Schulklasse und die Situation des Opfers einbezogen werden. Das Vorgehen sollte nicht nur mit den Betroffenen selbst, sondern auch – je nach Bedarf – mit Eltern, Lehrern, Schulleitung und gegebenenfalls professionellen Hilfsangeboten wie Schulpsychologischen Beratungsstellen abgestimmt werden.
Bei leichteren Fällen von Cybermobbing sollte man unbedingt selbst aktiv werden. Wenn das Cybermobbing jedoch nicht aufhört oder es sich (direkt) um ernst zu nehmende Gewaltandrohungen, Nötigungen oder gar Erpressungen handelt, wie auch Situationen bei denen die Beseitigung von Spuren (z. B. Fotos) des Cybermobbings Probleme bereitet, sollten auch Anwälte und Strafverfolgungsbehörden einbezogen werden.
Ein gutes Vorgehen ist folgende Vier-Stufen-Strategie 13):
Beruhigen – Sichern – Melden - Hilfe
Als erstes gilt: Sich und die Cybermobbing Situation zu beruhigen. Innehalten und nachdenken, jedoch nie auf Schikane im Netz mit ähnlichem Verhalten antworten, denn dies bestätigt nur den Täter und führt zum Aufschaukeln der Situation.
Als zweites gilt: Immer das Cybermobbing zu dokumentieren und somit Beweise zu sichern. E-Mails oder SMS nicht löschen, Screenshots von Beiträgen / Bildern auf den Internetseiten machen (Tastenkombination: Strg + Druck, dann mit Strg + V in ein Worddokument einfügen, zusätzlich die Internetdresse kopieren, Datum und Uhrzeit einfügen), bei Videos ein Mitschnitt machen (es gibt spezielle Programme oder Erweiterungen für die Browser, z. B. http://www.flashvideodownloader.org/).
Als drittes gilt: Dem Betreiber des Internetangebotes die Inhalte sowie den Täter (Profil, Nickname) zu melden und deren Löschung zu fordern. Die meisten Seiten haben z. B. einen „Melde-Button“ in ihr Angebot implementiert oder es gibt Kontaktadressen der Betreiber. Damit kann verhindert werden, dass Cybermobbing – beispielsweise gemeine Kommentare oder peinliche Fotos – weiterhin öffentlich zu sehen sind. Außerdem kann es ratsam sein, den Cyber-Täter auf die Blockieren-/Ignorieren-Liste zu setzen, um keine weiteren Nachrichten von ihm zu empfangen. Ist ein Cyber-Täter unter dem Namen eines anderen im Netz unterwegs und treibt sein Unwesen, oder hat Zugang zu dem echten Profil eines anderen (Betrug), so sollte der Betroffene dem Betreiber dies ebenfalls sofort melden.
Und viertens gilt: Cyber-Opfer sollten Freunden, Eltern oder anderen Vertrauenspersonen über ihre Erfahrungen berichten und sich bei ihnen Hilfe holen. Einerseits können Gleichaltrige emotionale Unterstützungen leisten und haben vielleicht Tipps für technische Lösungen wie beispielsweise Cybermobbing beim Anbieter zu melden. Andererseits sollten in jedem Fall Erwachsene hinzugezogen werden, da diese besser beurteilen können, in welchen Situationen weitere professionelle Hilfe nötig ist. Professionelle Hilfe gibt es an ganz unterschiedlichen Stellen.
Im Schulkontext beispielsweise können Elternpflegschaftsvorsitzende, Schulsprecher, Klassen- oder Vertrauenslehrer, Schulsozialpädagogen oder Schulleiter angesprochen werden. Auch wenn Cybermobbing außerhalb der Schule stattfindet, sollte es dort thematisiert werden, denn oft sind Opfer und Täter in der gleichen Klasse oder auf der gleichen Schule. Darüber hinaus gibt es in jeder größeren Stadt Schulpsychologische Beratungsstellen, Erziehungsberatungsstellen, Jugendämter und Polizeidienststellen mit kompetenten Ansprechpartnern.
Falls Betroffene im Elternhaus und in der Schule keine Ansprechpartner finden, können sie sich auch anonym und kostenfrei von Handy und Festnetz an eine bundesweite "Nummer gegen Kummer" (0800 111 0333) wenden oder sich von Gleichaltrigen im Internet beraten lassen (http://www.juuuport.de).
Autoren: Stefanie Pieschl und Torsten Porsch